AKJ 2012 - Nachbetrachtung

Bericht zum Jahreskongresses des AKJ Automotive in Saarbrücken
14./15. März 2012

Der Arbeitskreis AKJ Automotive konnte am 14. und 15 März 2012 seinen 27. Jahreskongress durchführen, diesmal unter dem Motto „Flexibilität managen und Innovation beherrschen“. Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt eröffnete die Veranstaltung als Leiter des Arbeitskreises und skizzierte die aktuellen Herausforderungen in der Branche. Einerseits müssen die Unternehmen immer flexibler auf kurzfristige Marktschwankungen reagieren, andererseits sind die im Hinblick auf die Kundenanforderungen notwendigen technischen Innovationen in die Produkte zu integrieren. Die Logistik ist aufgefordert, entscheidende Lösungsbeiträge für beide Herausforderungen zu liefern.

Dr. Albrecht Köhler erläuterte, wie sein Unternehmen Knorr-Bremse die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bewertet. So gestaltet sich die ökonomische Entwicklung in den Ländern Europas und in den anderen Weltregionen sehr unterschiedlich, so dass global agierende Unternehmen in den Einzelmärkten unterschiedliche Strategien umsetzen müssen. Große Herausforderungen sah Dr. Köhler in der starken Zunahme der Geldmenge insbesondere durch die Interventionen der EZB und die steigenden Rohstoffpreise für die produzierende Industrie. Einige technische Innovationen – wie etwa die Entwicklung neuer Motorengenerationen – sind auch für die großen Konzerne alleine nur noch schwer zu stemmen, hier werden die Entwicklungsleistungen vielfach in punktuellen und projektbezogenen Kooperationen mit Wettbewerbern erbracht.

Im Anschluss sprach Herr Wolfgang Booms - Geschäftsführer bei den Ford-Werken in Köln – über die Handlungsfelder eines OEMs im aktuellen Marktumfeld. Ford steht mit seinem Marktanteil in Europa an zweiter Stelle nach Volkswagen und Deutschland ist der größte Standort des Unternehmens außerhalb der USA. In Köln findet die Entwicklung der wichtigen Volumenmodelle in der Kompaktklasse für den globalen Markt statt, so wurde auch der aktuelle Focus im Rheinland konstruiert. Das saarländische Werk in Saarlouis ist Lead Plant für die globale Focus-Produktion, die an mehreren Standorten weltweit stattfindet und damit ein Volumen von über eine Million Einheiten erreicht. Mit der Strategie „One Ford“ sollen alle in die Wertschöpfungsketten integrierten Zulieferer und Dienstleister in die globale Produktplanung und Entwicklung sowie in die globale Fertigung eng eingebunden werden.

Herr Uwe Lamann, Vorstand beim Automobilzulieferer Leoni, erläuterte in seinem Beitrag, wie es einem großen 1-tier-Lieferanten gelingt, erfolgreich Innovationen in volatilen Märkten zu managen. Leoni stellt Bordnetze für viele OEM-Kunden her und ist dadurch von fast allen Änderungen am Produkt unmittelbar betroffen – schließlich benötigen die vielen Sensoren und Aktuatoren im Auto eine Energieversorgung und eine Weiterleitung der Informationsimpulse. Der steigende Elektronikanteil in den Fahrzeugen und die neuen Anforderungen durch Hybrid- und Elektroautos sind Treiber für technischen Innovationen, die auch wirtschaftlich industrialisiert werden müssen. Die Herstellung der Kabelsätze ist heute noch weitgehend Handarbeit, so dass die entsprechenden Zulieferer gezwungen sind, ihre Standorte in den Ländern mit niedrigen Lohnkosten zu suchen (Osteuropa, Nordafrika). Trotzdem müssen die kundenspezifisch gefertigten Kabelsätze in Losgröße 1 mit einem JIS-Logistikprozess ohne nennenswerte Puffer am Verbauort an der Montagelinie beim OEM bereitgestellt werden.

Der aus seiner langjährigen Tätigkeit bei Peugeot und Volkswagen bekannte Automobildesigner Murat Günak hat sich ganz den neuen Möglichkeiten der E-Mobilität verschrieben. Er berichtete über das neue Unternehmen mia electric, das Teile des französischen Unternehmens Heuliez übernommen hat und mit der Serienproduktion von drei Modellen eines Elektrofahrzeugs gestartet ist. Das besondere Design – u.a. der mittige Fahrersitz – ist auf den bevorzugten Einsatzort in den Großstädten und Ballungsräumen dieser Welt ausgelegt.

Ford betreibt seit über 40 Jahren eine auch im internationalen Produktivitätsvergleich sehr erfolgreiche Fabrik im saarländischen Saarlouis. Werkleiter Martin Chapman berichtete von den Herausforderungen bei der Umstellung auf den aktuellen Focus und die Rolle als Lead Plant für die weltweite Produktion der Ford-Kompaktklasse. Durch die Konzentration des Werkes auf nur noch ein Fahrzeugmodell ergibt sich ein erhöhtes Auslastungsrisiko – wird der Focus nicht mit den geplanten Stückzahlen abgesetzt, sinkt der Auslastungsgrad im Werk und kann zunächst nicht mit der Produktion eines anderen Modells ausgeglichen werden.

In der Podiumsdiskussion mit der Moderatorin Petra Glinski (Süddeutsche TV) diskutierten Wolfgang Booms (Ford), Dr. Albrecht Köhler (Knorr-Bremse), Uwe Lamann (Leoni), Albert Lidauer (Magna) und Dr. Christoph Skudelny (PriceWaterhouseCoopers) das aktuelle Marktumfeld und die Konsequenzen für die Gestaltung der Fabrik der Zukunft.

Referenten von namhaften Unternehmen aus der Automobilbranche erläuterten in weiteren Fachbeiträgen mögliche Konzepte und Methoden zur Beherrschung der Flexibilität und zum Management der geforderten Produkt- und Prozessinnovationen. So berichtete Herr Günter Bischoff vom Redesign der operativen Logistik im Volkswagenwerk Wolfsburg zur Vorbereitung des Anlaufs des neuen Golf-Modells und zur Ertüchtigung der Fabrik im Hinblick auf die zu erwartende höhere Komplexität bei zukünftigen Fahrzeugmodellen. Die notwendigen Veränderungen zur Produktion der neuen Fahrzeuggeneration im LKW-Werk von Daimler in Wörth erläuterte Dr. Andreas Hemberger. Unter der Leitidee Lean Logistics wurden Maßnahmen zur Optimierung der Lieferantenstruktur, der Transportlogistik, der Anlieferstrategien und der Produktionsversorgung umgesetzt. Herr Bühler von BMW zeigte auf, wie sich eine schlanke Logistik einem Automobilwerk in den USA umsetzen lässt.

Am Abend des 14. März 2012 konnte der AKJ Automotive zum 13. Mal den elogistics award vergeben. Verliehen wurden die Auszeichnungen während der festlichen Abendveranstaltung von Peter Jacobi, Finanzminister des Saarlandes.

Die Jury – bestehend aus Experten aus Automobilindustrie und Hochschule – hat die eingereichten Projekte nach folgenden Kriterien beurteilt:Innovation in Bezug auf die gewählte Anwendung Originalität in Bezug auf die Anwendungsfelder in der LogistikNutzen und Mehrwert aus Sicht der HauptanwenderBeschleunigungseffekte in der Wertschöpfungskette bzw. AuftragsabwicklungEntwicklungsmöglichkeit und NachhaltigkeitMit dem elogistics award möchte der Arbeitskreis AKJ Automotive in erster Linie innovative Projekte würdigen, die in geeigneter Weise Logistik und Informationsverarbeitung verbinden. Besonders beachtet wird die Anwenderseite – wird die Lösung in der Praxis eingesetzt und haben sich signifikante Verbesserungen in den Prozessen ergeben.

Die Jury prämierte in diesem Jahr zwei eingereichte Lösungen mit einem Preis:

„Deutz-Logistikplattform“ (Deutz AG mit Dienstleister Axit AG)"

Das Unternehmen Deutz AG kann als ältester Hersteller von Verbrennungsmotoren auf eine lange und erfolgreiche Firmengeschichte verweisen. Schon vor der letzten Absatzkrise hat das Unternehmen begonnen, ein vollständig überarbeitetes Logistikkonzept umzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit als großer selbständiger Motorenbauer zu erhalten und zu stärken. Das neue Logistikkonzept verändert dabei alle wesentlichen Prozesse von der Anlieferung der Teile über die Bereitstellung in der Montage bis zur Ablieferung beim Kunden.

Die Jury würdigt mit der Preisverleihung das Gesamtkonzept und die Unterstützung der neu implementierten Prozesse durch eine gemeinsame Kommunikationsplattform mit Lieferanten und Dienstleistern. Gemeinsam mit dem Partner Axit AG wurde die Deutz-Logistikplattform aufgesetzt, die für alle Wertschöpfungspartner eine vorher nicht mögliche Transparenz über die Supply Chain herstellt und die Voraussetzung für schlanke und wirtschaftliche Logistikprozesse schafft. So gelingt es jetzt beispielsweise, den gesamten Belieferungsprozess bis zur Bereitstellung der Teile in der Montage mit nur einem Behälter-Label zu begleiten – ganz gleich wie viele Partner in der betroffenen Logistikkette zusammenarbeiten.

„Logistics Mall“ (Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik IML mit Dienstleister Logata GmbH)"

Einfache Lösungen für die komplexen Herausforderungen in der Logistik gibt es nicht – wohl aber Lösungen, die ohne großen Aufwand für den Anwender zu implementieren und zu betreiben sind. Die Jury verleiht den Preis für die Lösung „Logistics Mall“, die eben genau diese Eigenschaften hat: Prozesse, Dienstleistungen, Software und Anwendungen sind frei konfigurierbar und anforderungsgerecht für die jeweilige Anwendungssituation anpassbar. Der Anwender muss sich nicht um den Betrieb der IT-Lösung kümmern, er bezieht die benötigte Funktionalität über einen virtuellen Marktplatz - angewandtes Cloud-Computing für die Logistik. So erhalten auch mittlere und kleinere Unternehmen Zugang zu innovativen IT-Lösungen für die Logistik, die früher bestehenden Barrieren für deren Anwendung werden deutlich gesenkt. Die Logistics Mall – umgesetzt mit dem Partner Logata GmbH - ist damit ein wichtiger Beitrag zur „Demokratisierung“ leistungsfähiger Prozesse und IT-gestützter Verfahren in der Logistik.

Der Arbeitskreis AKJ Automotive (www.akj-automotive.de) beschäftigt sich mit Strategien und Lösungen für die Neuausrichtung und Optimierung der Kernprozesse und Lieferbeziehungen in der Automobil- und Zulieferindustrie. Er versteht sich als Plattform zum Austausch von Erfahrungen für die drei beteiligten Parteien in der automobilen Wertschöpfungskette (OEM, Lieferanten und Dienstleister) und bietet den Rahmen zur offenen Diskussion aktueller Fragestellungen in der Zusammenarbeit.

Veröffentlichung frei. Wir bitten um Zusendung eines Belegexemplars. Vielen Dank.

Für weitergehende Informationen wenden Sie sich bitte an:

Jörg Kuntz
Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes
FITT GmbH – Institut für Technologietransfer
Goebenstraße 40
66117 Saarbrücken
Tel +49-681-5867-410
E-Mail: Jörg Kuntz

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